Zur Startseite
Konzipient Rechtsanwalt Tipps Normen Impressum
Home Tipps Strafrecht 1. Woche
1. Woche

Impressum

Vollmachtserteilung, Anzahlung

Die Vollmacht zur Vertretung eines Verdächtigen wird entweder durch den Verdächtigen selbst, oder (oft, wenn dieser verhaftet wurde) durch Verwandte oder Bekannte (telefonisch, mündlich oder schriftlich) erteilt. In Strafsachen ist ein angemessenes Akonto üblich. Das Akonto sollte zumindest die Leistungen der nächsten 14 Tage abdecken, da man bei Kündigung durch den RA (z.B. wegen Nichtakontierung) noch 14 Tage vertreten muss, soweit dies notwendig ist. Eine Verhandlung ist daher auch zu verrichten, wenn man dafür noch nicht entlohnt wurde! Grundsätzlich muss das gesamte Honorar also drei Wochen vor der (letzten) Hauptverhandlung bezahlt werden, denn nach der Verhandlung noch eine Honorarzahlung zu erhalten ist - im Unterschied zum Zivilrecht - sehr selten. “Stammkunden” von Strafvertiedigern wissen dies und kommen meist schon mit einem angemessenen Akonto zu ersten Besprechung, da dies so üblich ist.

§ 11 (1) Der Rechtsanwalt ist schuldig, das ihm vertraute Geschäft, solange der Auftrag besteht, zu besorgen, und ist über die Nichtvollziehung verantwortlich.
(2) Der Rechtsanwalt ist jedoch berechtigt, seiner Partei die Vertretung zu kündigen, in welchem Fall, sowie in jenem, wenn die Kündigung von der Partei erfolgt, der Rechtsanwalt gehalten ist, selbe noch durch 14 Tage, von der Zustellung der Kündigung an gerechnet, insoweit zu vertreten als nötig, um die Partei vor Rechtsnachteilen zu schützen.
(3) Diese Verpflichtung entfällt, wenn die Partei dem Rechtsanwalt das Mandat widerruft.

Bei erfahrenen Verteidigern sind Pauschalhonorare üblich, die je nach Delikt, Gerichtszuständigkeit und Anzahl der Beteiligten variieren. Mitberücksichtigt wird aber oft auch die Vermögenslage des Täters und seiner näheren Umgebung. Sinnvoll ist jedoch auch hier, den Umfang der Pauschale zu definieren (z.B: zwei Haftprüfungsverhandlungen, eine Hauptverhandlung, nur 1. Instanz) und für weitere Leistungen z.B. AHR (mit oder ohne ES) festlegen. Alternativ rechnet man nach AHR und Einzelleistungen ab. Grundsätzlich rate ich dazu Honorarvereinbarungen ausdrücklich netto zu treffen, um spätere Missverständnisse zu vermeiden (in dem Zusammenhang auch an Geldwäsche denken).

In Verfahrenshilfesachen ersetzt das Dekret der RAK die Vollmacht und - am Landesgericht für Strafsachen Wien - auch die Sprechkarte.

Die für jeden Vollmachtgeber entscheidenden Fragen sind:

  • Weshalb wurde die U-Haft verhängt?
  • Wie hoch wird die Strafe sein?
  • Wie lange wird die U-Haft dauern?
  • Ist die Enthaftung möglich?
  • Kann ich ihn besuchen?*
  • Was wird die Vertretung kosten?

Diese Fragen können anläßlich der Vollmachtserteilung oft nicht beantwortet werden, wenn zu diesem Zeitpunkt der Akteninhalt meist noch nicht bekannt ist. Es sollte aber auch in diesem Fall  eine Basisinformation erteilt werden: der in Frage kommende Strafrahmen, die höchstzulässige Dauer der U-Haft und der Tarifansatz für jede Aktion (Verhandlung, Besuche, etc.), wenn man nach AHR verrechnet.

* Besteht keine Verdunklungsgefahr erhalten Verwandte und Freunde meist eine Sprechkarte, die kann auch der RA dem Richter ankündigen. Es gibt ein Merkblatt für die genau definierten Besuchszeiten und Wäschepaket-Regelungen.

Festnahme des Klienten

Jeder Festgenommene ist bei der Festnahme (oder unmittelbar danach) von den Sicherheitsbeamten über den gegen ihn bestehenden Tatverdacht zu unterrichten und darüber zu belehren, daß er berechtigt ist, einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger zu verständigen (§ 178 StPO).

Nach der Verhaftung ist der Festgenommene gegen den kein richterlicher Haftbefehl vorliegt (Verhaftung z.B. auf frischer Tat) von der Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache zu vernehmen (§ 177 Abs  2 StPO). Zu diesem Zeitpunkt ist die Beiziehung eines Rechtsanwaltes zur Befragung derzeit noch nicht möglich . Einige Strafverteidiger empfehlen für diesen Fall, daß der Beschuldigte seine Aussage verweigern soll. Dies insbesondere bei komplizierteren Fällen, bei denen mit einer Bestrafung gerechnet werden muß.

Oft haben Verwandte eine Visitenkarte der Polizisten, sonst (in Wien) über die Generalstelle 313 10 versuchen, den ermittelnden Beamten zu sprechen und die Delikte und ggf. Einlieferung oder Freilassung zu erfragen, wobei die Auskünfte nicht immer vollständig und richtig sind (weil die Auskunft gebende Person nicht alles weiß bzw nicht entscheidet). Seit neuestem ist die Auskunfstbereitschaft gegenüber Anwälten besser (geplante Novelle StPO).

Spätestens 48 Stunden nach der Festnahme (nicht Einlieferung) ist der Verdächtige vom polizeilichen Gefangenenhaus in das zuständige Gericht einzuliefern (§§ 176 Abs 2, 177 Abs 2 StPO). Diese Frist kann um 24 Stunden überschritten werden, wenn der Verdächtige außerhalb des Sprengels des zuständigen Gerichtshofes festgenommen wurde (§ 176 Abs 2 StPO). Dort ist der Verdächtige unverzüglich, längstens aber binnen 48 Stunden, vom U-Richter zu vernehmen (§ 179 Abs 1 StPO). Bis dahin gibt es für den RA kein durchsetzbares Recht den Klienten zu sehen. So kann es bei einer Verhaftung am Dienstag Abend passieren, dass man den MD erst am nächsten Montag sehen kann. Wird man von Verwandten beauftragt, sollte man dem Mandanten so bald wie möglich ausrichten lassen, dass man sich um ihn kümmert (Briefe - nicht zu öffnende vertrauliche Infos, jedoch nicht 100%ig von der Behörde ungelesen - und Faxe an die Insassen sind möglich, dauern aber oft mehrere Tage bis zur Zustellung).

(Auf-) Suchen des Klienten

In Wien werden festgenommene Personen grundsätzlich in das Landesgericht für Strafsachen Wien eingeliefert. Dort findet man den Klienten wie folgt:

Bei der Einlaufstelle (Tel 40 127/1275) bekommt jeder Akt eine Zahl, die zuerst in Erfahrung zu bringen ist. Dazu benötigt man den Vor- und Zunamen des MD, sowie dessen Geburtsdatum. Aus der Geschäftszahl ergibt sich die zuständige Abteilung. “Vr” steht für Verbrechenszahl, “U” weist auf ein BG-Verfahren hin, “Ur” ist die Zahl der Vorerhebung, -untersuchung, “Hv” würde bedeuten, daß bereits eine Hauptverhandlung anberaumt wurde. Die Staatsanwaltschaft führt eigene Aktenzahlen (St) und eine eigene Einlaufstelle.

Sobald die Aktenzahl bekannt ist, erfährt man in der Abteilung wo sich der Klient befindet und wer (und wo) der zuständige U-Richter ist. Diesen ersucht man (telefonisch) um Ausstellung einer Sprechkarte, lautend auf denjenigen, der die Besprechung tatsächlich führen soll. Bei mehreren in Frage kommenden Personen sind mehrere Karten auszustellen. Achtung: Rundsiegelstempel der Kanzlei ist Voraussetzung für die Vorführung, wird aber manchmal vergessen. Sollte der zuständige U-Richter nicht anwesend sein, kann die Sprechkarte (theoretisch) auch bei dessen Vertreter beantragt werden - in einigen Akten geben die Vertretungsrichter aber keine Sprechkarten her. Es gibt Dauer- und (seltener) Tagessprechkarten. Als Pflichtverteidiger und Verfahrenshilfeanwalt braucht man keine Sprechkarte. Dies gilt jedoch nur im Landesgericht für Strafsachen Wien (= Graues Haus), nicht z.B. in Simmering und offiziell auch nur für die ersten zwei Besprechungen. Besucht der Pflichtverteidiger und Verfahrenshilfeanwalt jedoch nicht persönlich (RAA oder Subst), benötigt der Vertreter idR eine Sprechkarte! Ohne Sprechkarte kein Besuch, jedoch haben manche Abteilung (früher am JGH üblich) vorunterschriebene Sprechkarten, die von der Kanzlei dem ausgeweisenen Vertreter ausgehändigt werden - also vorher anrufen.

Bevor der U-Richter nicht mit dem Klienten gesprochen hat, erteilt er üblicherweise keine Sprecherlaubnis. Der Verteidigers hat hier auf eine rasche Einvernahme zu drängen, um selbst möglichst bald mit dem Häftling sprechen zu können. Dies ist insbesondere bei Ersttätern wichtig! Bei ausländisch klingenden Namen fragen, ob ein Dolmetscher nötig ist. Diesen muß der RA dann (auf Kosten des Gerichtes) organisieren, am besten nimmt man den Dolmetscher, den das Gericht üblicherweise für diese Sprache bestellt.

Wissenschaftler der University of Washington in Seattle haben eine Punkteskala für Streßreize im Leben eines Menschen erstellt und dabei einer Gefängnisstrafe den hohen Stresswert von 63 Punkten zugemessen. Dies ist ebensoviel wie der Tod eines Familienangehörigen, aber weniger als Scheidung (73) oder Tod eines Ehepartners (100) “Der Spiegel”, Nr. 7, 9.2.1976.

Nach Erhalt der Sprechkarte ruft man (zB im Halbgesperre DW 3487) an, ob der MD überhaupt da ist (Häftlingszahl ist hilfreich!) und läßt ihn sich dann vorführen (dauert 30 bis 60 Minuten, man kann mehrere MD in einem anfordern, die dann warten). Nicht auf Dolmetsch vergessen! Im “Grauen Haus”, d.h. im Landesgericht für Strafsachen Wien, gibt es Zellen, in denen man dem Klienten (alleine) gegenübersitzt. Handys sind vorher beim Eingang einzuschließen - den MD darf man keinesfalls telefonieren lassen, dies muss der U-Richter bewilligen! Auch sonst darf man weder Zigaretten, noch Briefe u.ä. hinein- oder hinausschmuggeln. Soll der MD zB einen Überweisungsauftrag (Honorar) für sein Konto unterschreiben, dann soillte auch dies der U-Richter genehmigen (Zustimmung zur Unterfertigung der Urkunde).

Anders als aus vielen (US-) Filmen bekannt gibt es jedoch keine Absperrung zwischen dem RA und dem Klienten. Auch Handschellen sind unüblich. Das kann zu Beginn der Besprechung bei (mutmaßlichen) Schwerverbrechern, die man vorher noch nie gesehen hat, schon ein eigenartiges Gefühl auslösen (Filmtipp: “Das Schweigen der Lämmer”).

Am sinnvollsten ist es, wenn man den AKt bereits hat - in Verfahrenshilfesachen daher meist tunlich, den Erhalt der Abschrift abzuwarten (wenn nicht zu spät). Diesen kann man am schnellsten im Verteidigerzimmer (DW 1217) durchlesen und sich dort auch einzelne Kopien bestellen (bei Verfahrenshilfe darauf hinweisen -> keine Kopienkosten). Den Akt sollte man beim Richter freigeben lassen, auch wenn manche Abteilungen dies ohne Richter tun würden.

In besonderes unglücklichen Fällen kann es vorkommen, daß man mehrere Tage keine Möglichkeit hat den Klienten zu besuchen. In dieser Zeit besteht vor allem gegenüber den Angehörigen und Freunden des Verhafteten ein Erklärungsbedarf. Erfolgt die Festnahme z.B. am Mittwoch, kann es bis zu 48 Stunden bis zur Einlieferung ins Gericht dauern (d.h. Freitag). Erfolgt die Überstellung erst im Laufe des Vormittags kann es vorkommen, daß der U-Richter den Verdächtigten erst am nächsten Arbeitstag (d.h. Montag) befragt. Dass der Klient erst danach besucht werden kann, muß den Angehörigen verständlich gemacht werden!

Auch im BG-Verfahren gibt es ein Vorverfahren (“Vorerhebungen”) und (nur) bei Flucht- oder Verdunklungsgefahr eine U-Haft, die zu Verteidigerzwang führt (§ 41 Abs 3 Z 3 StPO).

Ob man noch - auf Freispruch - verteidigen kann und will, wenn man ein Geständnis des MD hat, muss jeder für sich entscheiden. Jedenfalls muss man dem MD klar machen, dass er entweder die Wahrheit sagen soll oder für immer bei seiner Version bleiben muss. En Umfallen des MD vor dem Richter macht die gesamte Verteidigung zu nichte! Der MD soll dem Richter nur das sagen, was mit dem RA vorher abgesprochen wurde - er ist ja zur wahrheitsgetreuen Aussage nicht einmal verpflichtet.

idF 08/06/21 - - www.konzipient.com - www.konzipient.at © Mag. Clemens Binder-Krieglstein