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Urkundenerklärung

§ 298 Abs 3 ZPO: “Der Gegner des Beweisführers ist zur Erklärung über die vorgelegte Urkunde aufzufordern.

Als Stehsatz gilt: “Echt, zur Richtigkeit wird auf das eigene Vorbringen verwiesen!” Diese Äußerung ist zwar formell richtig, kann aber insbesondere dann, wenn es zum Inhalt der Urkunde noch kein eigenes Vorbringen gibt, nachteilig sein, da in diesem Fall, die in der Urkunde enthaltene Behauptung unbestritten bleibt.

Folgende Erklärungen sind möglich:

Echtheit:

  • Echt: Die Urkunde stammt von dem in ihr angegebenen Aussteller.
  • Unecht: Die Urkunde ist gefälscht, d.h. von einem anderen ausgestellt. Achtung: Mutwillensstrafe und Feststellungsklage nach § 228 ZPO möglich.
  • Keine Erklärung: Die Echtheit der Urkunde gilt als unbestritten, § 312 Abs 1 ZPO.

Richtigkeit:

  • Richtig: Übereinstimmung der beurkundeten Tatsachen mit den wirklichen Tatsachen.
  • Unrichtig: Das in der Urkunde Erklärte ist nicht Beweis für das Vorbringen der Gegenseite. Wird die Richtigkeit bestritten, sind Ausführungen zu erstatten, weshalb der Urkundeninhalt falsch ist. Wurde die Übereinstimmung nachträglich bewußt beseitigt, ist sie verfälscht (z.B. Wechselsumme erhöht).
  • Verweis auf das eigene Vorbringen: Zur Richtigkeit der Urkunde wird zum Zeitpunkt der Urkundenerklärung keine Erklärung abgegeben. Dies ist nur dann sinnvoll, wenn bereits ein Vorbringen zur beurkundeten Tatsache erstattet wurde, oder in weiterer Folge erstattet wird.
  • Erklärung vorbehalten: Diese Erklärung empfiehlt sich, wenn die Gegenseite umfangreiche Unterlagen vorlegt, die in der Verhandlung nicht auf deren Richtigkeit überprüft werden können. Achtung: Erklärung sollte in der nächsten Verhandlung (oder mit aufgetragenem Schriftsatz) nachgereicht werden.

Risken bei leichtfertiger Urkundenerklärung

Folgender wertvoller Tipp wurde uns von Rechtsanwalt Mag. Michael Poduschka zur Verfügung gestellt:

"Problematik von Urkundenerklärungen

Über die Urkundenerklärungen zerbricht sich der einschreitende Vertreter sei es nun der Konzipient oder der Rechtsanwalt selbst - zumeist nicht den Kopf.

"Echtheit wird zugestanden, zur Richtigkeit wird auf eigene Vorbringen verwiesen bzw. die Richtigkeit wird bestritten", dies ist die übliche Erklärung.

Wenn jedoch ein Substitut oder aber ein mit dem Akt nicht vertrauter Kollege oder Konzipient einschreitet, wird oftmals vorsichtshalber keine Erklärung abgegeben, es sollte jedoch jedem bewußt sein, welche Gefahren damit verbunden sind.

Hiezu möchte ich folgenden Fall aus der Praxis darstellen:

Herr Martin Müller jun. bestellt schriftlich bei einer Firma Fenster inkl. Montage. Diese wurden nicht fachgerecht eingebaut, eine Verbesserung ist nicht möglich, es folgen langwierige außergerichtliche Einigungsversuche über eine Preisminderung. Knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist klagt der Unternehmer den Werklohn ein. Als Beklagter wird in der Klage Martin Müller angegeben. Die Klage wird jedoch von dem unter derselben Adresse wohnenden Martin Müller sen. übernommen. Martin Müller sen. wendet sich an einen Rechtsanwalt, der, um "Zeit zu schinden" (Klage gegen Martin Müller jun. wäre dann verjährt) lediglich ein leere Klagebeantwortung ("ich habe nichts bestellt, Beweis: PV") erstattet. Zur Beweisbeschlußtagsatzung schickt der Rechtsanwalt einen Substituten. Der Anwalt des Werkunternehmers legt die Bestellunterlagen vor, der einschreitende Substitut gibt hiezu keine Erklärung ab. Daraufhin wird die Verhandlung vom Richter geschlossen.

Da die Echtheit der Unterschrift unter der Bestellung nicht bestritten wurde, ging das Erstgericht (ohne PV) davon aus, daß die Bestellung von Martin Mühler sen. unterschrieben wurde und hat der Klage des Werkunternehmers gegen Martin Müller sen. stattgegeben. Dies wird in zweiter Instanz auch bestätigt. In einem umfangreichen Haftungsprozeß muß jetzt geklärt werden, ob der Rechtsanwalt von Martin Müller sen. oder aber der einschreitende Substitut an diesem "Schlamassel" schuld sind.

Obwohl der Sachverhalt - der in der Praxis tatsächlich vorgekommen ist - etwas ausgerissen ist, zeigt doch ganz deutlich, welche Gefahren damit verbunden sind, keine Erklärung zu Urkunden abzugeben."

Abänderung der Urkundenerklärung

Die abgegebenen Urkundenerklärungen sind jederzeit abänderbar. Dafür empfiehlt sich ein gute Begründung, da ein (scheinbar) willkürliches Abändern der Verantwortung vom Gericht nachteilig gewürdigt werden könnte.

Zeitpunkt der Vorlage

Grundsätzlich sind Urkunden in dem Schriftsatz, in dem darauf Bezug genommen wird (§ 77 Abs 1 ZPO), sonst in der ersten Tagsatzung vorzulegen.
Der Zeitpunkt der Urkundenvorlage ist jedoch u.U. auch von taktischen Erwägungen abhängig. Es kann z.B. ratsam sein Urkunden erst nach erfolgter (Zeugen- oder Parteien-) Befragung vorzulegen, um damit dem Aussagenden die Möglichkeit zu nehmen, sich auf den Inhalt der Urkunde einstellen und die Aussage umformulieren zu können. Mit dieser Taktik kann - bei entsprechendem Widerspruch - auch die Glaubwürdigkeit einer Aussage erschüttert werden.

Richterlicher Auftrag - Frist

Der Richter kann die Vorlage einer Urkunde binnen Frist anordnen. Da es dazu keines Beschlusses bedarf, läuft die Frist ab Verkündung (§ 124 ZPO). Später vorgelegte Urkunden sind aber trotzdem zu berücksichtigen.

Zahl der Ausfertigungen

Die mit Schriftsatz eingebrachten Urkunden sind in der erforderlichen Anzahl (also für das Gericht und für jede Partei eine - § 80 ZPO), die während der Verhandlung überreichten einfach vorzulegen. Letzteres ist aber unkollegial und zeigt von geringem Respekt dem Gegner gegenüber. Für den Fall, daß nur dem Gericht eine Abschrift übergeben werden kann, sollte dem Gegner erklärt werden, daß man ihm per Post eine Ablichtung zukommen lassen wird.

Tipp für die, die Urkunden keine Urkunde vom Gegner erhalten: Es hat sich bewährt, entweder den Richter zu bitten (einen etwa anwesenden Rechtspraktikanten zu ersuchen) während der Verhandlung eine Kopie anzufertigen, oder dies nach der Verhandlung selbst zu erledigen. Dies ist einfacher, als sich kurz vor der nächsten Verhandlung um eine Kopie bemühen zu müssen. Und viel streßfreier, als wenn man bei der nächsten Vorbereitung auf den Akt feststellen muß, daß eine Urkunde fehlt.

idF 08/06/21 - - www.konzipient.com - www.konzipient.at © Mag. Clemens Binder-Krieglstein